Zwei Monate sind inzwischen vergangen. Zwei Monate ohne unseren Sohn. Die Lücke, die er hinterlassen hat, ist unbeschreiblich schmerzhaft. In manchen Momenten sticht es mir so sehr ins Herz, dass ich es fast nicht ertragen kann. Es tut regelrecht physisch weh. Er fehlt, und es gibt nichts, was diese Lücke jemals schließen könnte. Und das soll auch so sein, ich brauche die Lücke. Sein Platz soll für immer ihm gehören.
Jeder Tag ist schwer. Das Aufstehen hat seinen Sinn verloren, mein Leben seinen Inhalt. Die Dankbarkeit für Kleinigkeiten hat zugenommen, dafür leide ich extrem unter all den sinnlosen Banalitäten und will keine Sekunde in sie investieren.
Ich hangle mich von Tag zu Tag, ohne präsent zu sein. Vielmehr fühle ich mich passiv und leer, endlos leer.
Die Stille erdrückt mich. Manchmal höre ich ihn rufen, als wäre er im Zimmer. Ich male mir aus, wie es wäre, wenn er einfach plötzlich wieder da wäre. Ich stelle mir vor, was er inzwischen könnte und wie groß er wäre. Stattdessen starre ich wieder und wieder auf seine Bilder, doch es kommen keine neuen hinzu. Die Videos kann ich noch nicht sehen, sie schmerzen zu sehr.
Ich träume jede Nacht von meinem Sohn. Doch stets liegt er tot im Kinderwagen, in meinen Armen oder im Autositz.
Doch das Leben geht weiter.
Es tut gut, unsere alte Wohnung auszuräumen. Hier ist der Kleine geboren, hier war er am glücklichsten. In diesen Räumen ist er so unglaublich präsent.
Mein Mann investiert viel ins Haus. Es nimmt immer mehr Gestalt an und wir freuen uns darauf. Doch das Kinderzimmer wird vorerst leer bleiben. Unser Kind wird nicht, wie geplant, in diesem Haus aufwachsen.
Doch wir haben uns, und wir lieben uns mehr denn je. Mein Mann und ich befinden uns plötzlich in einer ganz anderen Ebene im Miteinander. Wir schweben durch diese schwere Zeit, ohne Halt und Perspektive. Wir haben nichts in der Hand, alles ist uns entglitten. Doch unsere Hände halten sich weiter aneinander fest, fester denn je.
Und dann ist da noch Gott. Es ist schwer in Worte zu fassen, wie ich zurzeit für ihn empfinde. Zum einen ist da eine Ohnmacht, weil ich das Gefühl habe, ihn überhaupt nicht mehr zu verstehen. Ich habe alles neu sortiert. Mir ist klar geworden, wie wenig ich ihn kenne, wie wenig ich verstehe. Und dann ist da noch eine tiefe Verbundenheit und überwältigende Dankbarkeit. Gott hat seinen Sohn freiwillig gegeben, wissend, dass er leiden würde. Diesen Schmerz nun kennend fehlen mir dazu die Worte, ich kann es schlicht nicht begreifen. Wie unfassbar!
Die Frage nach dem Warum wollte ich mir zunächst verbieten, doch ich kam nicht darum herum. Inzwischen glaube ich, dass es ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses ist, diesen langen, schmerzhaften Weg zu gehen. Zurzeit bin ich der Überzeugung, dass Gott es (natürlich) nicht gewollt hat, dass es mein Kleiner nicht schafft, aber eben auch nicht abgenickt oder zugelassen hat. Ich glaube, das liegt vielmehr darin begründet, dass wir in einer gefallenen Welt leben. Und aus vielen Dingen hält sich Gott mehr oder weniger raus, weil er uns diese Vollmacht gegeben hat.
Bleibt die Frage, warum er das Wunder nicht vollbracht hat, die Krankheit zu heilen. Tja, irgendwo da stecke ich fest.
Aber er ist uns ganz nahe, und er gibt uns liebevoll Zeit. Und er segnet uns mit unbeschwerten Momenten des Lachens, mit einer entzückenden Familie und sorgt für das ganze Drum Herum. Er heilt unsere Herzen, wir stehen mitten im Prozess.