Der Arzt war kreativ und mutig. Mit einer spontanen und gewagten Idee konnte er das Herzlein retten und nun pumpt es – aber nur mithilfe einer Maschine. Diese ist so riskant, dass wir in den darauffolgenden Tagen nie zu Ruhe kommen und ständig irgendwelche negativen Neuigkeiten und Veränderungen auf uns einprasseln. Es ist unerträglich!
So zum Beispiel am Tag nach der Operation.
Mein Mann ist nach Hause gefahren, da wir durch den überstürzten Aufbruch fast nichts bei uns haben. Ich sitze am Bett unseres Babys, als plötzlich der Herzschlag rapide fällt. Ich werde herausgeschickt und sehe Schwestern und Ärzte herumrennen. Voller Panik sitze ich in der Schleuse, wo mich glücklicherweise eine andere Mutter beruhigt.
Nach etwa einer Stunde kommt eine Ärztin und bittet mich nach draußen in den Flur. Ihr Gesicht ist so ernst und in diesem Moment sackt in mir alles zusammen. Ich ahne das Schlimmste und lehne mich an die Wand. Sie erklärt, was soeben passiert ist. Während ich mich an die Frage klammere, ob er noch lebt, kommt ein anderer Arzt hinzu. Er redet von einer kollabierten Herzkammer und einer angeschlossenen Maschine. Er sagt etwas von Sauerstoff und der Lunge. Schließlich setzt er nochmal an, weil ich nichts verstehe. Ich schaue ihm beim Sprechen zu und spüre das starke Klopfen in meiner Brust. Irgendwann hält er inne und fragt: „Verstehen Sie, was ich sage?“ Ich schüttle mühsam den Kopf, woraufhin ihn das Mitleid überkommt und er mich sanft an der Schulter berührt. Ganz heruntergebrochen setzt er noch ein letztes Mal an und diesmal konzentriere ich mich voll und verstehe es auch einigermaßen. Trotzdem klingt es zu schlimm und eine Welle der Verzweiflung überströmt mich. Ich presse meine Hände an die Wand und frage unter Tränen: „Aber hat er denn überhaupt eine Chance?“ Der Oberarzt muss lächeln und beruhigt mich: „Natürlich hat Ihr Sohn eine Chance, sonst würden wir das nicht machen. Es ist riskant und es kann viel passieren, aber er hat eine Chance. Sie werden sehr viel Geduld brauchen. In Ordnung?“ Ich bringe mit viel Kraft ein Nicken auf. Mit diesen Worten gehen er und die Ärztin und lassen mich im Flur stehen.
Ich starre vor mich hin und versuche, das Gehörte zu verarbeiten. Irgendwann hebe ich den Blick und nehme meine Umgebung wieder wahr. Drinnen sitzt die befreundete Mutter und ich gehe zu ihr. Sie nimmt mich in den Arm und bietet mir an, dazubleiben, bis mein Mann wieder kommt.
Ich sitze nur da und kann nicht sagen, was ich jetzt brauche.
Schließlich gehe ich nach unten an die Rezeption, da nur dort Empfang ist. Ich versuche, meine Mutter und die meines Mannes anzurufen, habe aber nur mäßigen Erfolg.
Da hockend in dem ITS-Kittel findet mich die Freundin und sie bleibt bei mir, bis mein Mann zurückkommt.
Nach gefühlten Ewigkeiten kommt der ersehnte Anruf mit der erfreulichen Nachricht: die Op war erfolgreich, beide Herzkammern sind angeschlossen. Das Ganze nennt sich Ecmo-Therapie und bedeutet, dass die Lunge extern ersetzt wird, wobei eine Maschine das Blut mit Sauerstoff anreichert, und das Herz mittels einer Pumpe unterstützt wird, um es zu entlasten. Dabei muss das Blut sehr flüssig sein und darf nicht gerinnen. Das wiederum führt im Nachhinein zu vielen Komplikationen und Nebenwirkungen.
Aber unsere Überlebensstrategie in diesen Tagen lautet, von Stunde zu Stunde zu leben. Deswegen kann und will keiner sagen, was noch alles auf uns zukommt. Jetzt geht es darum, dass unser Kind die nächste Stunde überlebt.