22.03.2019
Mein Wecker klingelt: Zeit, auf Arbeit zu gehen! Als ich ins Bad die Treppe hinunter gehe, ist mir schnell klar, dass ich in diesem Zustand und mit dem Kreislauf keinesfalls allein Zug fahren und arbeiten gehen kann. Zurück im Bett schreibe ich meiner Arbeitskollegin und sage ab. Mein Bauch krampft so sehr, dass ich mich wundere, wie ich schlafen konnte. Ich drehe mich hin und her, sicher, dass ich nicht noch einmal einschlafen werde. Es gelingt mir dann aber doch.
Zwei Stunden später wache ich erneut auf. Das Aufstehen fällt mir schwer, ich muss mich stützen. Auf dem Klo erschrecke ich dann: Das Blut läuft in Strömen aus mir heraus, darunter auch ein großer Klumpen. Es will gar nicht aufhören und ich sacke innerlich zusammen. Das ist es jetzt wohl: Die Kleine Geburt geht los. Ich gehe in die Küche, um mir einen Pfefferminztee zu machen. Vielleicht hilft er meinem Bauch, alles herauszupressen. Gerade, als der Wasserkocher angeschaltet ist, spüre ich, wie mein Kreislauf zusammenklappt. Es wird dunkel um mich herum, mir wird übel und ich habe gerade noch Zeit, mich auf den Boden zu legen. Dort liege ich wohl eine Weile, bis ich langsam wieder richtig zu Bewusstsein komme. Mehr und mehr spüre ich die Schweißperlen auf meiner Haut und die kühle Luft, die zum Fenster hereinkommt. Sie tut unendlich gut! Ich denke daran, dass mir Cola für diesen Moment empfohlen wurde. Aber die ist am anderen Ende des Zimmers und ich mag Cola ja eigentlich eh nicht. Ich bleibe noch ein wenig liegen und genieße den kühlen Luftzug. Dann stehe ich langsam auf und stütze mich an die Wand. Ich rufe meinen Mann einige Male sehr schwach. Als er kommt, nimmt er mich in den Arm und spürt, dass ich schwitze. Er begleitet mich zum Sofa und holt ein Nudelsieb: Damit wollen wir versuchen, das Baby aufzufangen. Ich gehe gleich noch einmal aufs Klo und wieder strömt es in erschreckenden Mengen aus mir heraus. In diesem Moment wird das Baby geboren, was wir aber erst später entdecken werden.
Nach einer ausgiebigen Erholungsphase auf dem Sofa geht es mir dann wieder wesentlich besser. Der Kreislauf stabilisiert sich, die Blutungen werden seltener und weniger stark. Nach einer Stunde etwa ist das Schlimmste überstanden. Wir frühstücken und ich habe mit einem Mal richtig Hunger. Anschließend finden wir das Baby und sind so dankbar, dass es recht eindeutig zu erkennen ist: Der Kopf, die Arme, und sind da vielleicht sogar die Augen? Es ist ein bewegender Moment und ich spüre tiefen Frieden in mir. Das kleine Wesen hat zwei Wochen lang ein klopfendes Herz gehabt. Es liegt hier vor seinen Eltern, die es unbeschreiblich lieben. So gern wir es kennengelernt hätten, so tröstlich ist es doch zu wissen, dass das hier nur die Hülle ist, dass das Baby selbst inzwischen in Gottes Armen liegt. Mein Mann baut einen kleinen Sarg aus einer Holztruhe, in die wir das Baby legen. Morgen wollen wir es beerdigen.
Leider muss mein Mann heute noch in die Schule und unterrichten. Der Abschied ist überstürzt und schmerzlich. Im Nachhinein erzählt er mir von seiner Autofahrt, auf der er viel gebetet und geweint hat.
Damit ich in dieser Zeit nicht allein bin, habe ich meine Schwester eingeladen. Sie kommt mit ihren beiden Söhnen und wir haben eine gute Zeit mit tiefgründigen und offenen Gesprächen, aber auch mit Ablenkung und Spaß. Es versetzt mir einen Stich ins Herz zu sehen, wie traurig sie ist. Ich wünsche mir so sehr, Freude zu verbreiten, ein Segen zu sein. Stattdessen bringe ich zur Zeit alle nur zum Weinen, sie wissen nicht, was sie sagen sollen und statt eine Zeugin eines Wunders zu sein, muss ich gestehen, dass das erwartete Wunder nicht eingetreten ist.
Während sie da ist, bekomme ich die Nachgeburt. Es ist geschafft! Da sie mit den Kids zurück nach Hause muss, wird sie von meiner Mutter abgelöst. Mit ihr habe ich auch eine sehr intensive Zeit. Sie vermittelt mir das Gefühl, stolz auf mich zu sein. Gott traut mir viel zu und es ist wahr: Er hat mich durchgetragen, Er hat mich befähigt! Ich glaube es ist so: Je schwerer die Krise, desto mehr lernen wir. Aber keine Krise ist zu schwer, nie überfordert Er uns. Daran will ich festhalten. Ich gehe aus dieser Situation heraus und kann sagen: Gott ist gut! Er ist treu! Ich verstehe Sein Handeln nicht immer. Also dass es Fehlgeburten gibt, passt wirklich so gar nicht in mein Bild Gottes. Aber das ist gar nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass Er souverän ist, dass Er weiß, was Er tut. Er hat den Überblick, Er kennt die Zusammenhänge und ich will Ihn einfach lieben. Er segnet mich in den Momenten, wo ich das von Ihm bekomme, was ich mir wünsche. Und Er segnet mich auch, wenn ich nichts verstehe und völlig überfordert bin. Das spüre ich.